Kunstbaustelle
Stadlerhaus
Kunstbaustelle
Stadlerhaus
Es sind sehr unterschiedliche Arbeiten, die dieser Auftakt der neuen Kunstbaustelle zusammenfasst: großformatige Fotografien, die den Ausstellungsort direkt nach dem Feuer zeigen, zum einen. Stuhlobjekte, zigfach verfremdet, dekliniert, zum andern. Irritierend allerdings das eine wie das andere. „This Is Not the End“ lautet der Titel der großen Doppelausstellung von Markus Brenner und Jörg Hundertpfund. Die Kunstbaustelle war Brandgebäude – vor einem Jahr hat ein Großfeuer das einstige Verlags-, Geschäfts- und Wohnhaus stark beschädigt.
Markus Brenner beschäftigt die Transformation. Der in Konstanz beheimatete und über die Region hinaus bekannte Foto- und Videokünstler kam direkt nach dem Feuer. Seine Fotoarbeiten der inszenierten, nun zerstörten Wohnwelten des einst hier beheimateten Möbelhauses jedoch sind nicht dokumentarisch, obgleich man beim Betrachten den Brandgeruch wahrzunehmen glaubt. Vielmehr wirken sie irreal und absurd, sehr gegensätzliche Aussagen ringen hier miteinander: totaler Verlust, verbrannter Alltag hier, poetische Szenen, die wie filmische Inszenierungen anmuten, da. Wie für die Kamera gemacht. Ein aus Lego gebauter Dinosaurier, Telefone, Lounge Chairs und Regale; Asche und Rauch mattieren alles, packen wie in Watte, lassen Spiegel und Fensterscheiben erblinden. Vor Tagen noch idealisierte Wohnwelten, völlig dahin – und doch auf absurde Weise poetisch und schön. Der Künstler dazu: „Ich glaube mitunter, dass die Welt nur in ihrer Widersprüchlichkeit begreifbar ist.“
Der in Berlin lebende, aus Konstanz stammende Künstler, Gestalter und, ja, auch Gestaltungsphilosoph Jörg Hundertpfund präsentiert ein anderes Paradoxon in Form archetypischer Stühle. Acht Objekte, allesamt eigenartig manipuliert, dazu zahlreiche Bilder an der Wand, ebenfalls von Stühlen, auf denen niemand sitzen kann. Mal wird ein Bein nach vorn gestreckt – als sei der Stuhl Anklage und Waffe zugleich. Mal liegt das Möbel plattgestreckt auf der Erde, mal reicht es uns scheinbar die Hand oder kullert durch den Raum.
Diese Stühle könnten fast alles sein, nur funktionierende Möbel sind sie nicht. Hingegen lassen sich darin etwa „Brücken ins Jenseits“ sehen (Hundertpfund). Und Belege dafür, dass ein und dieselbe Sache aus mitunter unendlich vielen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Eine Art „Enzyklopädie der Beugungen“ sei sein Ziel gewesen, so Hundertpfund.
Hundertprfunds Objekte repräsentieren in konsequenter Form all das, was für gewöhnlich in der gestalterischen Auseinandersetzung vermieden wird: das Fehlbare, das Disfunktionale, den Ausschuss, aber – und vor allem, das außerdem Mögliche. Im weiteren Sinne also verleihen diese Objekte uns Hoffnung: Ein Verlust muss nicht ein solcher bleiben. Er kann auch Ausgangspunkt für Neues sein, Sonderform von besonderer Schönheit, Tabula Rasa im Leben.
Die Ausstellung „This Is Not the End“ wird am 11.09.2025 eröffnet und ist jeweils Donnerstag bis Sonntag und bis einschließlich 27.11.2025 im Konstanzer Stadlerhaus zu sehen. Trägerin von Constance Contemporary – Kunstbaustelle Stadlerhaus ist die deutsch-Schweizer Stiftung Crescere.